Bürgereinwand Becker

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"... Ich bemängele also grundsätzlich und sehr ausdrücklich, dass das Verfahren sich im Widerspruch zur öffentlich bekundeten Meinung des Rates befindet und sich nicht an die dort getroffenen Vereinbarungen hält. Es missachtet den Rat, ist offenkundig mangelhaft, interessegeleitet und unehrlich gegenüber den Bürgern. ..."

 

Martin Becker, Lüstringer Str. 35a, 49143 Bissendorf

 

Gemeinde Bissendorf

Im Freeden 7

49143 Bissendorf

Bissendorf, den 06.05.2011

Einwände gegen die 29. Änderung des Flächennutzungsplans Bissendorf,

insbesondere für den Planabschnitt 29.1 (Natberger Feld)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

gegen die Änderung des o.g. Flächennutzungsplans erhebe ich folgende Einwände:

Zunächst bemängele ich die knappe Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Planung, die lediglich der kleinstmöglichsten Anforderung des Baugesetzbuches folgt. Insbesondere kritisiere ich die unzureichenden Hinweise der Gemeinde Bissendorf auf die öffentliche Auslegung in der 4-Wochen-Minimum-Frist innerhalb der Osterferien, die lediglich eine Woche vorher stattfanden, nicht aber während der Auslegungszeit selbst. Dadurch ist auf das Einspruchsrecht des Bürgers während der Einspruchsfrist gar nicht hingewiesen worden. Nachdem öffentliche Kritik darüber aufkam, verweist die Gemeinde auf ihrer Homepage lediglich auf ihre Hauptsatzung, in der diese kurze Vorab-Ankündigung vorgegeben sei.

Es wäre aber ein Leichtes und eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit gewesen, Hinweise auf die öffentliche Auslegung und die damit verbundenen Einwandmöglichkeiten während der gesamten Auslegungszeit zu veröffentlichen (die Einladung für die Jahreshauptversammlung der Jagdgenossenschaft Grambergen hing beispielsweise zur gleichen Zeit mehrere Wochen lang aus). Ebenfalls wäre es ein Leichtes gewesen, statt einer Rechtfertigung auf der Homepage, dort auf das Verfahren selbst hinzuweisen und die notwendigen Dokumente online zu veröffentlichen, vielleicht sogar online Einsprüche entgegen zu nehmen. Die jetzige Vorgehensweise ist nicht unbedingt bürgerfreundlich und fördert Wut, Ohnmächtigkeit und Verdrossenheit. Ich behalte mir vor, diesen Passus der Hauptsatzung rechtlich prüfen zu lassen.

Ich bemängele ebenfalls, dass es große Unterschiede zwischen den öffentlichen Beteuerungen im Rat und dem konkreten Planungstext gibt. Im Rat wurde mehrfach betont, dass die geplante Änderung des Flächennutzungsplanes lediglich vorgenommen werden solle, um lokalen Firmen langfristige Expansionsmöglichkeiten bieten zu können. Als Beispiel wurden die beiden Firmen Solarlux und Balgenort-Lingemann erwähnt. Die jetzige Planung diene lediglich dazu, Perspektiven für die Zukunft offen zu halten, nicht jedoch, um eine Industrialisierung der Region voranzutreiben. Außerdem wolle man überhaupt nur kleine und mittlere Gewerbebetriebe und keine Industriebetriebe ansiedeln. Auf sämtlichen Informationsveranstaltungen und auf allen Ratssitzungen zu diesem Thema wurde dies mehrfach intensiv beteuert (zuletzt: Bissendorfer Blickpunkt Nr.133, S.9).

In dem Textteil/ Begründung zum Entwurf der Änderung des Flächennutzungsplanes findet sich davon aber nichts wieder. Im Gegenteil, dort wird mehrmals betont, dass es sich um Flächen handele, „die im interkommunalen Wettbewerb konkurrenzfähig sind“ (S.17), und dass das Vorhaben „unabhängig von den konkreten Ansiedlungsplänen der v.g. [ortsansässigen] Betriebe“ vorgenommen werden solle (S.6, im Original kursiv und unterstrichen). Folglich „… beschränkt sich der Ausweisungsbedarf ausdrücklich nicht auf einen sog. Eigenbedarf (etwa im Sinne einer Flächenausweisung für Betriebe, die aus der Gemeinde kommen und Erweiterungsbedarf besitzen), sondern ausdrücklich auch auf die Neuansiedlung von Betrieben“ (S.17).

Außerdem ist in dem Erläuterungstext nicht von einer langfristigen Bevorratung der Flächen die Rede, sondern es wird eine Empfehlung der Wirtschaftsförderung des Landkreises Osnabrück zitiert, nach der „… das ‚Gewerbegebiet Natbergen’ zügig weiterentwickelt werden…“ solle (S.3).

Und nicht zuletzt finden sich dort auch keinerlei Beschränkungen für die Art der anzusiedelnden Betriebe (Industrie oder Gewerbe). Auch hier stößt man auf das genaue Gegenteil der öffentlich vorgetragenen Willensbekundungen. In dem Bewilligungsschreiben des Landkreises Osnabrück über das Zielabweichungsverfahren des Regionalen Raumordnungsplanes (RROP) vom 10.3.2011 wird die geplante Nutzung der Fläche 29/1 als „…teilweise (eingeschränktes) Industriegebiet sowie überwiegend als (eingeschränktes) Gewerbegebiet“ beschrieben (S.2). Die sprachliche Formulierung mit in Klammern gesetzten Einschränkungen bleibt vage und ungenau. Sie macht aber deutlich, dass auch eine Nutzung als uneingeschränktes Industriegebiet ermöglicht werden soll.

Während der Erläuterungstext lediglich während der Auslegungsfrist im Rathaus und wie oben erwähnt nur mit minimalen Hinweisen darauf einzusehen war, wurden die Beteuerungen der Politik öffentlich sehr weit gestreut, wie das oben erwähnte Beispiel „Bissendorfer Blickpunkt“ oder die persönliche Mitwirkung eines lokalen Unternehmers auf einer Informationsveranstaltung zeigt. Daher ist der Verdacht auf vorsätzliche Irreführung der Bürger nicht wirklich von der Hand zu weisen.

Ich bemängele also grundsätzlich und sehr ausdrücklich, dass das Verfahren sich im Widerspruch zur öffentlich bekundeten Meinung des Rates befindet und sich nicht an die dort getroffenen Vereinbarungen hält. Es missachtet den Rat, ist offenkundig mangelhaft, interessegeleitet und unehrlich gegenüber den Bürgern.

Inhaltlich verstößt die geplante 29. Änderung des Flächennutzungsplanes insbesondere im Teilbereich 29/1 gegen die Planungen zur Dorfkernsanierung Bissendorf. Die Dorfkernsanierung wird mit öffentlichen Mitteln des Bundes gefördert und folgt dem prämierten Beitrag (http://www.bissendorf.de/pics/medien/1_1301567447/2011-03-15_Siegerentwurf_Poertner.pdf) [hier]des städtebaulichen Realisierungswettbewerbs der Arbeitsgemeinschaft Planungsbüro Hahm GmbH VBI, Osnabrück, und Architekturbüro Dr. Ahrens + Pörtner, Hilter, der die Einbindung des Ortskerns Bissendorf in einen ost-westlich verlaufenden, sich an historischen Vorbildern orientierenden Grüngürtel vorsieht. („Entwicklung eines Bissendorfer Grünkonzeptes unter Einbeziehung der jahrhundertealten Siedlungs- und Freiraumstrukturen“, „Verknüpfung vorhandener Grüngürtel“). Diese Grüngürtelplanung – und damit eine der Hauptorientierungen der Planung – würde von der geplanten Flächennutzungsänderung 29/1 vereitelt werden. Da bereits erhebliche öffentliche Mittel in die Dorferneuerung fließen, gibt es auch ein erhebliches Interesse an deren sach- und ordnungsgemäßen Verwendung. Diese wird aber durch die Änderung des Flächennutzungsplanes beeinträchtigt.

Das der o.g. Änderung des Flächennutzungsplanes beigefügte Lärmgutachten ist mangelhaft. Das Berechnungsverfahren ist nicht nachvollziehbar, da die Teilflächen nicht eindeutig identifizierbar sind, z.B. ist die Größe der Teilflächen nicht angegeben. Lage und Größe der Teilflächen sind nur einem Lageplan entnehmbar, ohne weitere geodätische Anhaltspunkte. Die exakte Lage der angegebenen Immissions-Orte ist nicht angegeben.

Daher sind weder die Schallemission der Teilflächen noch die Entfernungen zu Immissionsorten exakt ermittelbar, und daher sind auch die Belastungen weiterer Immissionsorte nicht ermittelbar. Mein Wohnort, Lüstringer Str. 35a, ist überhaupt nicht als Immissionsort verzeichnet. Ich wende daher ein, dass nach dieser Planung eine Überschreitung von Immissions-Grenzwerten bzw. Orientierungswerten an meiner Wohnung nicht ausgeschlossen werden kann.

Auch ist die Berechnung der Vorbelastung der Immissionsorte unklar. In der Schalltechnischen Beurteilung wurde offensichtlich nur die Vorbelastung durch Gewerbelärm berücksichtigt, jedoch nicht die Vorbelastung durch Verkehrslärm. Anhand der Werte in Abschn. 6.2 (Hinweis: Dieser Abschnitt bezieht sich auf die Lärmimmissionen auf die Plangebiete, nicht auf Wohn- und Mischgebiete!) kann man ablesen, dass die Vorbelastung durch Verkehrslärm auf vorhandene Wohngebäude wesentlich höher sein dürfte, als in der Anlage 2 angegeben. Daher wende ich ein, dass auch wegen unzureichender Ermittlung der Vorbelastung eine Überschreitung von Immissions-Grenzwerten bzw. Orientierungswerten an meinem und auch anderen Wohnsitzen in der Nachbarschaft nicht ausgeschlossen werden kann.

Ich wende ferner ein, dass der Zubringerverkehr zu der Gewerbefläche 29.1 eine starke Zunahme des Verkehrs auf der K321 zur Folge haben kann. Auch ist zu erwarten, dass dadurch der Anteil des LKW-Verkehrs größer wird als die derzeitigen 18%. Auch dies wurde bezüglich der Immissionen auf vorhandene Wohngebäude und Erholungsgebiete nicht berücksichtigt.

Aus den oben angeführten Gründen stelle ich die Aussage in Abschn. 5.2 der Schalltechnischen Beurteilung: „Alle drei Änderungsbereiche sind für die Ausweisung als Gewerbefläche geeignet“ bezüglich der Fläche 29.1 als nicht ausreichend belegt sehr intensiv in Frage.

Nach der Fischgewässerrichtlinie der EU, die in der Fischgewässerqualitätsverordnung des Landes Niedersachsen national umgesetzt ist, wurde die Hase im Landkreis und im Stadtgebiet Osnabrück als besonders schützenswertes Gewässer gemeldet und in die Anlage 1 der Verordnung eingetragen. Nach §3 dieser Verordnung dürfen bestimmte Parameter der Flussbiologie nicht gestört werden, bzw. muss ein Eingriff versagt werden, wenn er eine Verschlechterung dieser Parameter bewirkt. Die qualitativen Eigenschaften des Gewässers dürfen nicht verschlechtert werden.

Messungen am Pegel Düstrup haben ergeben, dass einige dieser Parameter (u.a. Sauerstoff) die Höchst- bzw. die Mindestgrenze und damit das Limit der Belastung bereits erreicht haben, eine weitere Steigerung bzw. Absenkung also nicht mehr hinnehmbar ist. Durch die Einleitung der Restwässer aus der Umkehrosmoseanlage des Wasserwerks Düstrup in die Hase wurde dieser prekäre Zustand noch verschärft.

Der Rosenmühlenbach mündet oberhalb Osnabrücks in die Hase, seine Gewässerbeschaffenheit greift also ziemlich direkt in die Messungen des Pegels Düstrup ein. Durch den Bau von Industrie- und Gewerbeanlagen im direkten Einzugsgebiet des Rosenmühlenbachs würde dessen Wasserqualität sinken, was Auswirkungen auf die ohnehin grenzwertige Situation in der Hase haben wird. Auch würde der erforderliche Bau von Regenrückhaltebecken die Wasserqualität im Rosenmühlenbach verschlechtern. Weil sich die Gewässerbiologie eines Beckens von der eines Fließgewässers unterscheidet, würden organische Materialien in den Rosenmühlenbach gelangen, die dort nicht überlebensfähig sind, absterben und dadurch erhebliche Sauerstoffmengen zehren. Damit würden dann auch in der Hase die Grenzwerte der Fischgewässerqualitätsverordnung des Landes Niedersachsen endgültig über-, bzw. unterschritten. Dies steht einer Ausweisung der Fläche 29/1 als Gewerbe-/ Industriefläche strikt entgegen.

Die geplanten Kompensationsmaßnahmen für den Eingriff in die Natur sollen teilweise in Schledehausen, teilweise in Renaturierungsmaßnahmen am Rosenmühlenbach erfolgen. Eine Veränderung des Rosenmühlenbaches würde aber sowieso fällig werden, weil er vermehrt Oberflächenwasser von der Versiegelung der Fläche 29/1 aufnehmen können muss. Daher wäre dies keine Verbesserung der Situation aus Naturschutzgründen im Sinne der Ausgleichsregelung nach dem BNschG, sondern eine aus technischen Gründen sowieso zu erfolgende Maßnahme.

Kompensationsmaßnahmen in anderen Ortsteilen (Schledehausen) stehen im Widerspruch zum bereits oben erwähnten Bewilligungsbescheid zum Zielabweichungsverfahren des RROP des Landkreises Osnabrück vom 10.03.2011, worin der Landkreis fordert, die Störungen des Freiraumes durch geeignete Maßnahmen vor Ort zu mindern. Außerdem würde ein Ausgleich an anderer Stelle eine spätere Erweiterung der gewerblichen Nutzung in Natbergen erleichtern, weil die Freiflächen dann sowieso schon gestört sind und zudem auf keine lokalen Kompensationsmaßnahmen Rücksicht genommen zu werden braucht. Die Flächen würden zur Opferstrecke für eine Aufwertung an anderer Stelle. Im Zusammenhang mit meinen oben erwähnten Vorwürfen zur Differenz zwischen öffentlichen Willensbekundungen und der dann tatsächlich erfolgten Ausformulierung des Verfahrens drängt sich der Eindruck auf, dass eine Erweiterungsfähigkeit tatsächlich von einigen Kräften erwünscht ist, aber aus taktischen Gründen nicht öffentlich kommuniziert wird.

In dem vorliegenden Verfahren zur 29. Bissendorfer Flächennutzungsplanänderung sind auch die Überlegungen zum Denkmalschutz zur Fläche 29/1 mangelhaft:

Die historische Wissenschaft hat sich mit dem Thema Siedlungsstrukturen und Agrarrecht so intensiv wie mit kaum einem anderen Thema beschäftigt. Die unterschiedlichen Wirtschaftsformen, die sich im Agrarrecht niederschlugen, sind vor allem Ende des 19. Jhs. bis Mitte des 20. Jhs. sehr angestrengt erforscht worden. Dabei hat sich die Wissenschaft nicht immer von einer gewissen Zweckgebundenheit befreien können. Landwirtschaftliche und agrarrechtliche Parallelen wurden gesucht, gefunden und mitunter im Sinne der Machthaber interpretiert. Im Nationalsozialismus wurden z.B. aus dörflichen Strukturen in Polen ein deutscher Dominanzanspruch und eine angebliche Notwendigkeit der Kriegsführung abgeleitet.*

Trotz oder gerade wegen diesen Fehlinterpretationen ist es wichtig, die Quellen für die historische Forschung nicht zu verschütten, weil diese vorindustriellen Agrarstrukturen tatsächlich ursächlich für die Entstehung unserer Sozial- und Rechtsordnungen sind. Die Enge des vorindustriellen agrarischen Systems bewirkte einerseits die Notwendigkeit eines für alle Teilnehmer verbindlichen starken Rechtssystems, entwickelte andererseits – oder gerade deshalb – eine so starke Dynamik, dass daraus Auswanderungswellen, kriegerische Auseinandersetzungen, Ausweitungen der Ertragsflächen und letztlich wissenschaftlich-industrielle Möglichkeiten zur Ertragssteigerung in der Landwirtschaft folgten und damit das Tor zur Industriemoderne geöffnet wurde.

Eine dieser Quellen ist die Flur des Ortsteils Natbergen der Gemeinde Bissendorf im Landkreis Osnabrück. Der Nationalökonom August Meitzen konstatiert schon 1895 für das Dorf Natbergen und seine Feldflur einen besonders gut sichtbaren germanischen Ursprung und schreibt dazu: „… Die Flur Natbergen bei Osnabrück (Anlage 93) zeigt diese besondere Form. Die Ortslage des Dorfes ist beinahe eine geschlossene, und die wenigen in der Flur zerstreut liegenden Höfe könnten möglicherweise später entstandene Ausbauten sein. Auch in der Ackereintheilung finden sich nur wenige über den Bedarf an Hausgärten hinausgehende Kämpe, das Anbauland bilden vorzugsweise die drei den Ort nahezu umschliessenden Esche, welche ziemlich gewannartig unter die Hauptbesitzungen in demselben vertheilt sind.“ (August Meitzen : Wanderungen, Anbau und Agrarrecht der Völker Europas nördlich der Alpen. Siedelung und Agrarwesen der Westgermanen und Ostgermanen, der Kelten, Römer, Finnen und Slawen. Band II, Berlin, 1895, S.81)

Meitzen beschreibt sehr detailliert das verflochtene Rechtssystem, das den unterschiedlichen Nutzungsberechtigten die Teilhabe an der beschränkten Ressource „Landwirtschaft“ ermöglichte: „Nach Briefen von Leverkus an Haussen waren auf manchen grösseren Eschen die mitteldeutschen volksthümlichen Messungs- und Wirthschaftsweisen anscheinend übereinstimmend in Uebung. Es gab auf ihnen Gewende und Anwandstücke (o. I, S. 87). Die Esche waren in gleichmässige Streifen getheilt, und die Enden dieser Ackerstreifen, auf denen die Pflugwende geschieht, wurden manchmal zusammengekauft, so dass eine Vorjard, ein Stück, welches den Streifen des Esches quer vorliegt, entstand. Auf einer Leverkus bekannten solchen Vorjard ruhte die Verpflichtung, den Besitzern derjenigen Stücke, die darauf stossen, bis 3 Tage vor Altem Mai und nach Martini die freie Wendung mit Pferden und Pflug zu gestatten. Im Ammerlande kannte er Esche, auf denen alle Stücke eine gleiche Breite hatten, z. B. der längst zerstörte Esch der Stadt Oldenburg. Dieselben wurden in den städtischen Urkunden als Stücke aufgeführt und 30 solcher Stücke bildeten eine Hufe. Dagegen gab es auch Esche, auf welchen die Stücke von altersher ungleiche Breite hatten, z. B. zu Edewecht. Sie wurden dann nach der Breite unterschieden als eine Jard, ein Drömel oder Drömeling, ein Acker und eine Brede. Streitigkeiten unter den Vornoten, d. i. Furchengenossen, wie sie die Urkunden nennen, wurden nach den Breitenangaben entschieden. In Edewecht wurde die Breite nach Schecht zu 7 oldenburgischen Fuss gemessen. Das ist also Skift, Schaft, Jagdspiess, wie o. I, S. 90. Eine Jard sind 2, ein Drömel 3, ein Acker 4 und eine Brede 6 Schechte breit. Es kommen auch Twijards oder Twejards vor, also Doppeljards, gleich einem Acker.“ (Meitzen a.a.O.)

Im Gegensatz zur Archäologie sind es nicht in erster Linie die einzelnen Bodenfunde, die Meitzen und andere Siedlungsforscher interessieren, sondern die Struktur der Flächen, ihre Anordnung untereinander und gegenüber Höfen, Wegen und Waldungen. Aus dieser Struktur schließen sie auf historische Entwicklungen, aus diesen Strukturen entwickeln sie ihre Thesen. Die Erforschung der Siedlungsentwicklung wurde zu einem starken Zweig der historischen Wissenschaft.

Auch wenn die einzelnen Einteilungen in „Jard“ und „Drömel“ heute so nicht mehr existieren, ist doch die Anordnung der Flur in Natbergen nach wie vor so, wie sie Meitzen beschrieben hat. Die Äcker bestehen aus Plaggeneschböden, sie umschließen nach wie vor den Dorfkern in erkennbaren Gewannen, sie sind ihrerseits von Wald- und Wiesenflächen umgeben. Straßen und Wege sind erkennbar in späteren Zeiten und obrigkeitlich durch das Gebiet gezogen worden, wobei sie die alten Strukturen zwar durchschnitten, diese sich aber mit erstaunlicher Zähigkeit weiter erhielten.

Diese Struktur ist trotz verschiedener Flurbereinigungs- und sonstigen Modernisierungsmaßnahmen weitgehend erhalten. Damit ist sie eine der wenigen, wenn nicht sogar die einzige erhaltene germanisch gegründete Dorfstruktur im Osnabrücker Land, zudem eine, die durch ihre Erwähnung in der wissenschaftlichen Literatur einen herausgehobenen Stellenwert besitzt.

Heute gibt es ein verstärktes Interesse der wissenschaftlichen Forschung an der Bedeutung von strukturellen Systemen in vorindustrieller Zeit für die gesellschaftliche Entwicklung in und nach der Industrialisierung. Außerdem ist mit der Lokalisierung der Varusschlacht in Kalkriese ein verstärktes Interesse an der Erforschung der Unterschiede zwischen römischen und germanischen Strukturen und Auffassungen entstanden. In diesem Sinne ist die Flurstruktur des Ortes Natbergen ein schützenswertes Kulturdenkmal, auch wenn sie (noch) nicht als Bodendenkmal in das Verzeichnis der niedersächsischen Kulturdenkmale eingetragen ist. Um jedoch einen tatsächlich nachhaltigen Schutz als Kulturdenkmal zu erlangen, wird ein Antrag beim Niedersächsischen Institut für Denkmalpflege gestellt, die Flurstruktur der Gemarkung Natbergen im Landkreis Osnabrück in das Verzeichnis der niedersächsischen Kulturgüter aufzunehmen. Die Unterschutzstellung soll die weitgehend noch erhaltene Struktur der landwirtschaftlichen Flächen betreffen, die Eingang in die wissenschaftliche Forschung gefunden hat. Eine Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung ist nicht vorgesehen.

Die Genehmigung des Landkreises Osnabrück zur Abweichung von den Zielen des RROP für die Fläche 29/1 ist unrichtig. Sie hätte schon aus dem Grund versagt werden müssen, weil das bisherige Planverfahren wie aufgezeigt erhebliche Mängel bei der Sammlung, Aufbereitung und Bewertung von abwägungsrelevanten Materialien aufweist. Zudem bezweckt die Planung gar nicht ernsthaft, alle drei Flächen für Gewerbeansiedlung zur Verfügung zu stellen, sondern zielt vor allem darauf ab, mithilfe des Zielabweichungsverfahrens lediglich zu klären, welche der Flächen letztlich überhaupt ausgewiesen werden können: „Die Planungsebene Flächennutzungsplan mit der dann grundsätzlichen Klärung, welche Standorte in welcher Abgrenzung unter Einstellung aller Belange und Einbeziehung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung letztlich ausgewiesen werden können, eröffnet dann die Möglichkeit, durch Aufstellung von Bebauungsplänen, ggf. auch teilräumlich, die weitere Ansiedlung von Gewerbebetrieben planungsrechtlich zu sichern.“ (Begründung zum Entwurf, Kapitel 2).

Dies ist zum einen eine dreiste Benutzung eines öffentlichen Planungsverfahrens für die Willensfindung im Rat, zum anderen ergibt sich daraus, dass das Einbeziehen aller drei Planflächen in dieses Verfahren eigentlich unnötig ist, denn das Versagen von einer oder mehrer Flächen wurde beim Start des Verfahrens ja schon einkalkuliert. Ich wende also gegen diese Planung ein, dass die in Hinblick auf Belastung von Umwelt, Natur und Anwohnern kritischste Fläche 29.1 (Vorranggebietes für Freiraumfunktionen nach RROP) somit ohne Einschränkung der Planungsziele herausgenommen und der Konflikt mit dem RROP vermieden werden kann, ja, dass das Zielabweichungsverfahren über die Fläche 29/1 aus diesen Gründen eigentlich vollkommen überflüssig gewesen ist und dessen Durchführung abgelehnt hätte werden müssen.

Der diesem Verfahren zugrunde liegender Konflikt ist kein räumlicher, sondern ein personeller, der durch die Vorgeschichte mit der Spedition Koch begründet ist. Damals hatte sich ein Teil des Bissendorfer Rates sehr stark, aber vergeblich für die Spedition ausgesprochen, was nach dem Rückzug der Spedition nachträglich in einem zweiten Anlauf ohne die Spedition in dem jetzigen Verfahren zu rechtfertigen versucht wird. Genau darauf beruht das Festhalten an der Fläche 29/1 trotz der o.g. Gründe, die gegen sie sprechen. Ein solches Vorgehen ist aber sehr weit von einer sachgerechten Entscheidung entfernt. Ich verweise außerdem auf die Argumentation der Stadt Osnabrück, die gegen die Entscheidung des Landkreises klagt.

Aus all diesen Gründen ergibt sich, dass in der vorliegenden Planung weder öffentliche noch private Belange annähernd sachgerecht, sowie gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen worden sind, und dass somit auch das BauGB nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Eine anstehende Abwägungsentscheidung im Gemeinderat ist somit fehlerhaft vorbereitet und letztlich auf dieser Planungsgrundlage überhaupt nicht möglich.

Ich fordere daher den Bürgermeister und den Gemeinderat der Gemeinde Bissendorf auf, die Fläche 29.1 aus der geplanten Änderung des Flächennutzungsplanes herauszunehmen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dieser Bürgereinwand wurde erstellt mit der Unterstützung des Bürgerbüros Schulz

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*„Die Landschaft in den eingegliederten Ostgebieten ist auf weiten Flächen durch das kulturelle Unvermögen fremden Volkstums vernachlässigt, verödet und durch Raubbau verwüstet. Sie hat in großen Teilen entgegen den standörtlichen Bedingungen steppenhaftes Gepräge angenommen. Dem germanisch-deutschen Menschen aber ist der Umgang mit der Natur ein tiefes Lebensbedürfnis. …“ Ernst Mäding: Regeln für die Gestaltung der Landschaft. Einführung in die Allgemeine Anordnung Nr. 20/VI/42 des Reichsführers SS, Reichskommissars für eingegliederte Ostgebiete, Berlin 1943.

Auch: Gerd Gröning und Joachim Wolschke-Bulmahn: Der Drang nach Osten. Zur Entwicklung der Landespflege im Nationalsozialismus und während des zweiten Weltkrieges in den „eingegliederten Ostgebieten“. München 1987.

Auch: Willi Oberkrome: „Deutsche Heimat“. Nationale Konzeption und regionale Praxis von Naturschutz, Landschaftsgestaltung und Kulturpolitik in Westfalen-Lippe und Thüringen (1900-1960). Forschungen zur Regionalgeschichte Band 47. Paderborn u.a.O., 2004.