Bericht von der Bauausschusssitzung am 4. Dez. 2018

ausführlicher Bericht von der Sitzung des Bissendorfer Planungs- und Entwicklungsausschusses am 4. Dezember 2018

Gestern tagte der Planungs- und Entwicklungsausschuss der Gemeinde Bissendorf. Allgemein wird dieser Ausschuss auch „Bauausschuss“ genannt, es lohnt sich aber sich in Erinnerung zu rufen, dass es bei Entscheidungen, die hier getroffen werden, um Bissendorfs „Entwicklung“ geht. Es geht um Weichenstellung, es geht um die Zukunft der Gemeinde.

Eigentlich ein spannendes Thema. Den beteiligten (Fach-)Planern gelang es aber, die ersten Tagesordnungspunkte derartig langweilig, realitätsfern und uninteressiert vorzutragen, dass jegliches Interesse bei den Anwesenden erlosch, obwohl es z.B. um den nicht ganz unwichtigen Hochwasserschutz im neuen Baugebiet Wissingen-Nord ging. Vielen Wissingern ist das „Jahrhunderthochwasser“ am 28. August 2010 noch lebhaft in Erinnerung.

Fast zwei Stunden lang quälten sich die zahlreichen Besucher durch den Abend. Dann kam das Natberger Feld an die Reihe.

Geltungsbereiche der neuen und alten Planung
Geltungsbereiche der alten (rot) und der neuen Planung (grün) im Natberger Feld

Der Planer, Herr Eversmann, hatte von seinen Vorrednern gelernt und fasste sich kurz. Um die gewerbliche Entwicklung des Ortes zu fördern, habe die Gemeinde im Jahr 2011 die 29. Veränderung des Flächennutzungsplanes und 2013 den Bebauungsplan Nr. 150 (Natberger Feld) beschlossen. Es habe damals drei Änderungen des Flächennutzungsplans gegeben: Die Fläche 29.1, Natberger Feld (20,5 Hektar), die Fläche 29.2, westliche Erweiterung des Eistruper Felds (10,3 Hektar) und die Fläche 29.3, südwestlich der Autobahnabfahrt Bissendorf, Steinbruch Sundermeyer (15,7 Hektar).

Die Gemeinde habe nun Flächen im Natberger Feld „notariell sichern“ können. Allerdings würden Teile dieser Flächen (ca. 3 Hektar) außerhalb des damaligen Planbereichs 29.1 liegen, weshalb die gesetzlich vorgeschriebene Prozedur notwendig sei, um dort eine gewerbliche Nutzung zuzulassen. Also erneute Änderungen von Flächennutzungsplan und Bebauungsplan. Mitsamt den vorgeschriebenen Beteiligungen von Bürgern und Behörden und mit einem erneuten Zielabweichungsverfahren, weil die Ziele der Raumordnung (Trinkwassergewinnung, Freiraumfunktionen) durch die geplanten Versiegelungen und Bebauungen verletzt werden würden. Landkreis und Stadt Osnabrück hätten bereits ihre Zustimmung signalisiert. Da sich die Flächen nur auf der nördlichen Seite der Natberger Str. befinden, würde auch nur für diese Seite ein Bebauungsplan erstellt. Wie der konkret aussehe, sei noch ziemlich offen.

Ratsherr Kanke (Grüne) sprach sich vehement gegen die Planung aus und referierte die konfliktreiche Geschichte des Natberger Felds, von der Planung für die Spedition Koch, über die „salomonische“ Teilung des Felds auf Antrag der SPD, bis zur Planung für die Fa. Solarlux. Beide Male sei kein planerisches Interesse ausschlaggebend gewesen, sondern das Interesse der Firmen. Die Fläche sei also auf Wunsch der Firmen ausgewählt worden, und nicht, weil sie sich für Gewerbeansiedlung besonders eigne. Das sei tatsächlich nicht der Fall, weil vor allem raumordnerische und städtebauliche Gründe dagegen sprechen. Genau deshalb sei ja auch das Zielabweichungsverfahren nötig.

Aktuell gebe es gar keinen Bedarf, da kein Investor bekannt sei. Der einzige Grund, weshalb die Planung jetzt vorwärts gebracht würde, wäre der Wunsch des bisherigen Flächeneigentümers, seine Flächen entweder jetzt oder gar nicht zu verkaufen. Das sei Nötigung des Rates. Außerdem habe die Schlussrechnung für das Gewerbegebiet Eistruper Feld gezeigt, dass selbst ein zu 100% ausgelastetes Gewerbegebiet in Zeiten der Hochkonjunktur Verluste für die Gemeinde bringe. In diesem Fall zahle die Gemeinde 1,2 Mio. € drauf. Das sei verdeckte Wirtschaftsförderung. Doch die habe Bissendorf gar nicht nötig, sei sogar schädlich, denn die Gemeinde sei als Wohnort im Grünen äußerst attraktiv, Gewerbeansiedlungen würden sich da eher negativ auswirken. So sei in Bissendorf der Einkommenssteueranteil immer höher und konjunkturunabhängiger gewesen als der Gewerbesteueranteil. Zusätzlich würden eventuelle Mehreinnahmen durch den kommunalen Finanzausgleich wieder gemindert. Das Projekt mache wirtschaftlich also gar keinen Sinn.

Den Vorwurf der Nötigung wies Bürgermeister Halfter sehr vehement von sich. Die Gemeinde hätte lange und letztlich erfolgreich um diese Flächen verhandelt. Das bisherige Verfahren habe gezeigt, dass die Flächen geeignet seien. Grundsätzlich seien Gewerbeansiedlungen nötig, damit sich Bissendorf die Ausgaben für Schulen, Kindergärten und Sportplätze weiter leisten könne. Die Nachfrage nach Gewerbegrundstücken sei ungebrochen hoch, doch er könne den Firmen keine mehr anbieten, weil alle Flächen verkauft seien. In der Abschlussrechnung zum Gewerbegebiet Eistrup würde gegenüber der Niedersächsischen Landgesellschaft zwar die genannte Summe fällig, man müsse aber auch die Gegenrechnung machen. So wären jetzt schon in den letzten 8 Jahren Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 1,5 Mio. € eingegangen, sodass in Zukunft ein Plus erwirtschaftet werden würde.

Auch Ratsherr Göcke (SPD) verwahrte sich vor der Nötigung. Keiner im Rat würde sich nötigen lassen, im Gegenteil, man würde sich sehr ernsthaft und intensiv mit der Sache auseinandersetzen. Außerdem habe es ja die Bürgerbefragung im Herbst 2013 gegeben, bei der sich ¾ der Bissendorfer für eine gewerbliche Nutzung des Natberger Felds ausgesprochen hätten.

Ratsherr Goertz (UWB) fragte nach, ob die Planung mit der Firma Amprion abgesprochen worden sei. Eine Trassenvariante für die geplante 380 KV-Hochspannungsleitung würde mitten durch das Natberger Feld führen. Da es sich um eine Vorrangplanung des Bundes handele, würde die kommunale Gewerbeplanung dadurch hinfällig werden.

Ratsherr Buch (CDU) bemerkte, dass das Geld trotz Finanzausgleich ja irgendwo erwirtschaftet werden müsse. Und eher nebenbei erwähnte er, dass Die Grünen und die BI Schönes Natbergen seinerzeit die Firma Solarlux vertrieben hätten (Gelächter beim Publikum).

Die Beschlussvorlage wurde mit zwei Gegenstimmen (Kanke, Goertz) angenommen.

Der emotionale Höhepunkt des Abends war die reichlich genutzte Einwohnerfragestunde, insbesondere die Fragen von Christoffer Drees, der sehr, sehr deutlich machte, dass die Planung existenzvernichtend für den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie sei. Familie Drees betreibt den einzigen in der Bauerschaft Natbergen verbliebenen Bauernhof. Außerdem wurden Fragen zur Wirtschaftlichkeit, zum Risiko der Gemeinde, wenn kein Investor gefunden wird, zur ehemaligen Solarlux-Fläche, zur tatsächlichen Größe des geplanten Gebiets und zur Nichtbefassung der beiden Flächen 29.2 und 29.3 gestellt.

Und von Bürgermeister Halfter wie folgt beantwortet:

  • Die Fläche 29.2 (Eistruper Feld) stehe ganz einfach nicht zum Verkauf, die Fläche 29.3 (Steinbruch Sundermeyer) sei seinerzeit von der Firma Solarlux geprüft und aufgrund der Topologie verworfen worden.
  • Auch wenn die jetzt „notariell gesicherten“ Flächen im nördlichen Teil der Fläche 29.1 liegen, würde der südliche nicht aus dem Programm genommen. Die Planung vergrößere sich daher um 3 Hektar auf 23,5 Hektar.
  • Das Risiko, auf den Flächen sitzen zu bleiben, sähe er nicht, die Nachfrage sei groß, konkrete Namen könne er aber nicht nennen. Die Wirtschaftlichkeit sei garantiert.
  • Die ehemalige Fläche der Firma Solarlux würde als Gründerzentrum genutzt. Dort hätten sich viele kleine Firmen angesiedelt. Aufgrund der besonderen Architektur sei eine Umnutzung des Gebäudes nur bedingt möglich.
  • Er habe Verständnis für die Sorgen der Familie Drees, müsse aber die Allgemeinheit im Blick haben und dürfe nicht die Sicht der Betroffenen einnehmen.

Wir möchten das nicht unkommentiert lassen:

So einfach, wie es sich der Bürgermeister mit der Wirtschaftlichkeitsberechnung macht, ist es leider nicht. Die Wirtschaftlichkeit eines Gewerbegebietes ist nicht automatisch erreicht, wenn die Investitionskosten ausgeglichen werden. Erhalt und Sanierung der Infrastrukturen (Straßen, Plätze, Entwässerung, evtl. Altlasten …) müssen dauerhaft gewährleistet werden. Nicht nur in Zeiten der Hochkonjunktur, sondern auch in schwierigen Zeiten, wenn Gewerbesteuern nur spärlich fließen.

Die Behauptung, es würden andauernd Firmen nach Flächen nachfragen, muss kritisch bewertet werden. Denn erstens hat es in den 5½ Jahren Planungsstillstand offensichtlich keine konkreten Interessenten für das Natberger Feld gegeben. Und zweitens hat Bürgermeister Halfter beispielsweise im Mai 2018 aus dem Weggang der Firma profilsys GmbH aus Bissendorf die Notwendigkeit des Gewerbegebiets Natberger Feld abgeleitet. Eine telefonische Rücksprache mit der Firma hat aber ergeben, dass es zu keiner Zeit Kontakte zwischen dem Bürgermeister und der profilsys GmbH, und dass es zu keiner Zeit den Wunsch der Firma nach Ansiedlung in Natbergen gegeben hat. Trotzdem wurde der Weggang der Firma vom Bürgermeister für die gewerbliche Nutzung des Natberger Felds instrumentalisiert. Daher ist seine Behauptung schwierig einzuschätzen, aber ganz so gewaltig wie dargestellt wird die Nachfrage wohl eher nicht sein.

Die Bürgerbefragung im Herbst 2013 war von einer Kampagne gegen die Bürgerinitiative Schönes Natbergen begleitet. Ebenso wie bei der Firma profilsys GmbH im Mai wurde ihr damals der Weggang der Firma Solarlux in die Schuhe geschoben. Eine sachliche Beschäftigung mit dem Thema hat darunter sehr gelitten. Auch betrug die Zustimmung zur gewerblichen Nutzung bei der Bürgerbefragung 67,9%, also eher ⅔ als als ¾. In den direkt betroffenen Ortsteilen war es hingegen umgekehrt, da waren ⅔ der Befragten dagegen.

Insbesondere ist aber ein Aspekt wichtig: Spätestens nach der gestrigen Einwohnerfragestunde muss allen Beteiligten klar geworden sein, dass der landwirtschaftliche Betrieb Drees von der Planung existenziell betroffen ist. Rat und Bürgermeister der Gemeinde Bissendorf nehmen die Schließung des Hofs in Kauf. Und das ohne Not. Denn mit der Fläche 29.3 (Steinbruch Sundermeyer) steht eine Fläche zur Verfügung, die deutlich verträglicher ist. Die allerdings von den Firmen, die sich dort ansiedeln wollen, etwas mehr Kreativität einfordert. Bei der damaligen Untersuchung durch die Firma Solarlux sollte das Gelände komplett eingeebnet werden, was schon damals gar nicht notwendig gewesen ist. Für eine kleinteilige Ansiedlung von Gewerbe, wie sie jetzt im Gespräch ist, erst recht nicht.

Das heißt: Um potentiellen Investoren keine Höhenunterschiede auf ihren Flächen zuzumuten, wird dem seit Generationen in Natbergen angesiedelten Hof Drees zugemutet, ebendiesen Hof aufzugeben!

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Ist das die Entwicklung, auf die Bissendorf hinsteuert?

vgl. auch den NOZ-Artikel "Bissendorf bereitet  Weg für Gewerbegebiet Natberger Feld"

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Kommentare: 3
  • #1

    Lateinjäger (Freitag, 07 Dezember 2018 16:13)

    Das mit dem Natberger Feld ist doch so: Damals mit Koch und Solarlux haben die eine Schlappe hinnehmen müssen die sie jetzt ausetzen wollen. der Voreigentümer weis das und kann die damit erpressen. So läuft das hier, das weis doch jeder.

  • #2

    anonym (Sonntag, 09 Dezember 2018 10:47)

    Das finde ich jetzt interessant. Herr Göcke und Herr Halfter sagen empört sie lassen sich nicht nötigen. Gleichzeitig sagt der Bürgermeister dass die Flächen im Eistruper Feld (29.2) nicht zum Verkauf stehen - in Natbergen aber schon. Also sieht er sich genötigt trotz der Proteste in Natbergen ein Gewerbegebiet zu bauen und nicht in Eistrup.
    Ja was denn nun?

  • #3

    auch anonym (Dienstag, 11 Dezember 2018 10:37)

    In Eistrup gibt es keine Proteste, aber die Flächen stehen nicht zur Verfügung. In Natbergen gibt es heftige Proteste, aber die Flächen sind verfügbar.
    Warum tauschen die dann nicht?